#MHAM: Vier Personen teilen ihre Gedanken rund um Therapie

„Mentale Gesundheit“. Dieser Begriff begegnet uns in Werbekampagnen, bei den „Benefits“ der Stellenausschreibung oder kommt im Alltag dahergelaufen. Obwohl dessen Auslegung so individuell wie der Mensch selbst ist, gibt es eine vage Definition der “Weltgesundheitsorganisation” (WHO). Sie beschreibt „Mentale Gesundheit“ als einen „Zustand, der Personen ermöglicht, mit Stress umzugehen, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen, gut zu lernen, zu arbeiten und zu ihrer Community beizutragen“.

Zum Start vom Mental Health Awareness Month haben wir in der Community gefragt, welcher Gedanke ihnen als erstes in den Sinn kommt. Vier verschiedene Area Codes, vier Protokolle. Ein ähnlicher Gedanke. 

002-28 Togo: War mit 14 heimlich bei der Therapie

Wenn ich an Mental Health denke, kommt mir sofort Therapie in den Sinn. Mein „erstes Mal“ war mit 14. Eigentlich war ich nur wegen starker, regelmäßiger Migräne bei der Hausärztin. Meine Selbstdiagnose: Ich denke zu viel. Ihre Diagnose: Übermäßiger Stress. Kam sie vermutlich auch drauf, weil sie meine Eltern kennt… Und die sind alles andere als einfach. Sie hat mir direkt eine Überweisung für eine Therapie gegeben. Ich war dort. Aber heimlich! Der Weg war eine halbe Weltreise. Ich bin quer durchs Bundesland gefahren, was manchmal Stunden gedauert hat. Zum Glück war ich als Schülerin in vielen AGs. Mein Lieblingsvorwand, wenn ich mal wieder auf Therapie-Tour war. Das war vor zehn Jahre. Mittlerweile mache ich wieder eine Therapie. Dieses Mal nicht heimlich. And: I’m healing.

002-33 Ghana: Hat das Gefühl, die Black Community ist noch nicht ready

Ich habe Angst, mir psychologische Hilfe zu suchen oder mich meiner Familie zu öffnen. Das liegt vielleicht bisschen daran, dass in meinem Umfeld viele eine veraltete Denkweise haben. Nur „Verrückte“ machen eine Therapie. Für meinen Vater bedeutet Therapie nichts anderes, als jemanden dafür zu bezahlen, 45 Minuten lang dein Freund zu sein… Und selbst wenn, ist doch egal? Vor allem Personen, die aus afrikanischen Ländern kommen, haben so viel aufzuarbeiten. Du kommst nach Europa und plötzlich bist du Schwarz und musst mit Rassismus dealen. Das verändert dich. Und wir müssen drüber reden. Am besten da, wo sich viele von uns treffen. Nämlich in den Churches. Aber wir sind noch nicht bereit dafür. Ich habe das Gefühl, die Black Community der älteren Generation denkt sich: Bete einfach bisschen härter, dann wird alles gut. 

002-34 Nigeria: Wusste schon mit zwölf, dass etwas nicht stimmt

Mit zwölf hatte ich das erste mal suizidale Gedanken. Meine Mutter war ständig am Arbeiten. Sie hatte mehrere Jobs, um meine Geschwister und mich irgendwie über die Runden zu bringen. Dass sie gar nicht gemerkt wie es mir wirklich ging, kann ich ihr nicht übel nehmen. Das war mir ehrlich gesagt auch recht so. Mit mitte Zwanzig habe ich beschlossen, dass ich zur Therapie will. Zunächst heimlich, irgendwann hab ich es dann der Familie gesagt. Sie haben es zwar gut aufgenommen, aber wir tauschen uns jetzt nicht regelmäßig über die Sitzungen aus. Zwischendurch fragt meine Mutter, ob ich noch hingehe und wie es läuft. Ich finde aber, dass meine Familie das Ganze nichts angeht, weil sie teilweise der Grund ist, weshalb ich zur Therapie gehe – no bad blood, tho! Zum Glück habe ich ein gesundes Umfeld in meiner neuen Wahlheimat, das mich auf meiner Reise unterstützt.

002-54 Kenia: Hat sich bewusst gegen eine Therapie entschieden

2021 habe ich meinen Mann verloren. Wir waren 30 Jahre lang zusammen. Unter normalen Umständen hätte ich mir einen Therapeuten oder eine Therapeutin gewünscht. Allerdings eine Schwarze Person. Der Grund dafür, weshalb eine ich psychologische Begleitung gebraucht hätte, lag hauptsächlich an den ganzen Rassismuserfahrungen, die zusätzlich zu meiner Trauerphase kamen. Am Ende habe ich mich bewusst gegen eine Therapie entschieden, weil ich keinen Bock hatte mich mit jedem Satz Missverstanden zu fühlen. Vor allem als Schwarze Person mit Behinderung ist Intersektionalität Mangelware. Es ist deshalb wichtig, dass wir Leute für unsere Bedürfnisse sensibilisieren. Ich bin seit vier Bundeskanzlern in Deutschland und sowieso introvertiert. Das Ganze als junge Schwarze Person durchmachen zu müssen, ist sicherlich vereinsamend.

*Um den Personen einen saferen Space zu bieten, teilen wir nur ihre Area Codes.

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