Tyla nennt sich „Coloured“ – aber was heißt das?

In ihrem „Getting late“-Musikvideo dreht sich alles um Tylas fiktive Welt. Eine Stadtprinzessin irgendwo in einer afrikanischen Metropole, die mit ihren Girls in seidenen Pyjamas chillt und Rolex von ihrem Crush geschenkt bekommt… Passend, dass die 21-jährige jetzt das Märchen lebt, von dem sie seither geträumt hat: „Ich bin mit dem Traum aufgewachsen, eine Sängerin wie Aaliyah oder Cassie zu werden.“ Tyla ist auf dem Weg, über Südafrikas Landesgrenzen hinweg zu einer Popgröße zu werden. And we’re here for it! Ihr Ohrwurm „Water“ hält sich bei den Billboard Hot 100, sie ist für die Kategorie „Best African Music Performance“ der 2024 Grammy Awards nominiert, und ihr Blow-up scheint unaufhaltsam. Zuletzt hat sie aber wegen etwas anderem für Diskussionen gesorgt…

Coloured VS Colored: Die Debatte um Tylas Identität

Geboren und aufgewachsen in Johannesburg, treffen bei der jungen Künstlerin Welten aufeinander. Wortwörtlich. Zulu, Indien, Irland… und vermutlich noch mehr sind Teil ihrer Roots. Das ist keine Seltenheit in Südafrika, dem Land mit dem vermutlich am krassesten durchgemixten Stammbäumen. Gerade im amerikanischen Raum wird Tyla allerdings von Fans als Schwarze Frau gelesen und bezeichnet. Etwas, das sie mehrfach korrigierte. Und genau das ist nun der Grund für die Debatte rund um ihre Identität.

Mit der Bezeichnung „Colored“ wird in Amerika die Jim-Crow-Ära (ca. 1877 bis Mitte der 1960er) assoziiert. Zusätzlich zum ohnehin schon rassistischen und diskriminierenden System wurde in dieser Zeit die Segregation gesetzlich eingeführt. In Schulen, Parks, Restaurants, Verkehrsmitteln, Wohngegenden… mit allen Mitteln wurden Schwarze von Weißen getrennt. Schwarze wurden mit dem Begriff „Colored“ nicht nur dehumanisiert, sondern haben auch ihre Gleichwertigkeit in der Gesellschaft abgesprochen bekommen. Wegen der Geschichte des Begriffs „Colored“, wird er als veraltet und respektlos angesehen. Ist es dadurch problematisch, dass Tyla sich als „Coloured“ identifiziert?

Nein, überhaupt nicht, es ist auch ihrerseits nicht respektlos, sich so zu bezeichnen. Damit Außenstehende nachvollziehen können weshalb, müssen wir den Kontext zu verstehen, in dem der Begriff genutzt wird. Die Bezeichnung „Coloured“ in Südafrika hat nichts mit dem rassistischen Kontext der Jim-Crow-Ära in den USA zu tun. Sie unterscheidet sich auch vom deutschen Pendant „Farbig“ – eine rassistische, koloniale Fremdbezeichnung, die hier von Schwarzen Personen abgelehnt wird. Vielmehr wird eine bestimmte Bevölkerungsgruppe definiert, die historisch gesehen von verschiedenen ethnischen Gruppen abstammt, die während der Kolonialzeit und Apartheid miteinander vermischt wurden. Die Vorfahren sind oft afrikanischen, europäischen und asiatischen Ursprungs, wobei auch indigene Völker und Malaien eine Rolle spielen können. Es geht also weniger um Hautfarbe, sondern eher um die Roots. Aber… es geht noch viel deeper!

I’m proud of being South African and I want to take Africa everywhere I go.

Tyla

AH AH POD: Das sagt die 0027–Community

Um die südafrikanische Perspektive zu verstehen, haben die Journalisten Ridal Carel Tchoukuegno und Tari Weber sich in der 0027-Community erkundigt. Vernon Scholtz, Business Coach und Gründer von Amabenz, und Safiya Yon, Mental Health Beraterin, erklären, was in South A unter Coloured verstanden wird.

„Mit dem Race Classification Act von 1948 wurden Südafrikaner:innen in verschiedene Kategorien eingeteilt: weiß, Schwarz, Coloured, asiatisch, indigen. Je näher du am Weißsein warst, desto mehr Privilegien wurden dir zugeteilt“, erklärt Yon. Die Mental Health Beraterin identifiziert sich als Südafrikanisch-Coloured, wird in Deutschland allerdings Lightskin-Schwarz gelesen. Ähnlicher Fall wie bei der Sängerin Tyla. Aber was bedeutet das jetzt? „Im Kontext von Südafrika würde ich mich nicht als Schwarz identifizieren. Die Unterdrückung, die wir während der Apartheid erlebt haben, kann nicht mit den Erfahrungen von Schwarzen Personen verglichen werden.“

Coloured ist also nicht gleich „mixed race“, sondern viel mehr eine Kategorie, die sowohl im politischen wie auch kulturellem Sinne besteht. Und das unabhängig von der Hautfarbe. Man könne weiß gelesen werden, aber trotzdem Coloured sein. Schwarzsein heißt, erklärt Scholtz, ist die kulturelle Nähe zur afrikanischen Kultur oder einem Stamm: Rituale, Bräuche, die Sprache. Müsste er „Coloured“ positiv definieren, würde er es so machen: „Colouredsein ist ein Mix aus verschiedenen Kulturen.“ Will er aber den Struggle hervorheben, betont er folgenden Aspekt: „Spätestens wenn du dir selbst die Identitätsfrage stellst, bemerkst du, dass es schwierig ist nachzuvollziehen, woher du kommst, was deine Wurzeln und wer deine Vorfahren sind.“

Auf allen Streamingplattformen zu hören.

Das ganze Community-Interview mit unterschiedlichen Perspektiven zur Coloured-Identität gibts in der aktuellen „AH AH POD“-Folge. Tune in und hinterlass eine Bewertung!

Foto: Courtesy of Flourish And Multiply

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